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Elena Ferrantes Meisterwerk über die Kraft der Freundschaft jetzt endlich als Hörspiel.
Die figurenreiche Roman-Tetralogie von Elena Ferrante – im deutschsprachigen Raum auch Neapolitanische Saga genannt – erzählt die Geschichte der Freundschaft von Lila und Lenù, zweier Kinder, Mädchen und Frauen, zweier Liebenden, zweier Rivalinnen. Es ist eine lebenslange Freundschaft, die aus der Perspektive von Lenù, wie Elena Greco von ihrer Familie und ihren Freunden gerufen wird, geschildert wird. Das Leben der von ihr bewunderten Lila sowie das gemeinsame Aufwachsen im Rione, einem Armeleuteviertel Neapels, mit seinem Geflecht an familiären und nachbarschaftlichen Verbindungen, seinen Abhängigkeiten, den oberflächlichen Streitereien, den offensichtlichen und den verborgenen Grausamkeiten, bilden dabei ihren konstanten Bezugspunkt.
Von den 1950er Jahren bis in die Gegenwart wird die Entwicklung der beiden so verschiedenen Frauen beschrieben, die aufgrund ihrer überdurchschnittlichen Begabungen aus dem sozialen Gefüge des Rione herausstechen und doch in ihm verhaftet bleiben. Während es der eher ängstlichen und fleissigen Elena gelingt, sich zumindest äusserlich aus dem Rione heraus zu lernen, zu arbeiten und zu schreiben, wird die geniale und furchtlose Lila ihn zeitlebens nicht verlassen. Hier ist jeder mit jedem verbunden und die Menschen scheinen sich oft wie ferngesteuerte Marionetten an unsichtbaren Fäden durch dieses Viertel zu bewegen. Von der gemeinsamen Schulzeit über Lilas frühe Hochzeit mit einem aufstrebenden Lebensmittelhändler, immer wieder wirken im Hintergrund Kräfte und Zusammenhänge, die die reflektierende Lenù oft erst im Rückblick begreift.
So sind Ferrantes Neapel-Romane zwar auch große Coming-of-Age-Literatur, doch führen sie tief hinein in gesellschaftspolitischen Themen: Es geht um den Einfluss der Camorra in Neapel, um Gewalt und um den Kampf um ein selbstbestimmtes Leben. Ferrante spannt leichthändig einen Bogen über die europäische Geschichte der Nachkriegszeit mit ihren vielfältigen Brüchen und politischen Herausforderungen. Das Thema Chancengleichheit – sowohl zwische den Geschlechtern als auch den sozialen Schichten, die Aufarbeitung der Traumata faschistischer Diktaturen in Europa, die Zeit der Studentenbewegung in den 1960er Jahren, all dies wird angesprochen anhand der beiden miteinander verwobenen Einzelschicksale der Freundinnen Elena Greco und Lila Cerullo. Der erste Teil, Meine geniale Freundin, umfasst Kindheit und frühe Jugend.
Bearbeiter und Regisseur Martin Heindel lässt in einem opulenten Hörspiel das Neapel der 1950er Jahre und all die eigensinnigen, lebensnahen Figuren aus Elena Ferrantes Epos als eindrückliches Klangerlebnis wiedererstehen. Vor allem Elena und Lila, die zwei Mädchen, die unterschiedlicher kaum sein könnten, und die doch eine unzertrennliche, lebenslange Freundschaft verbindet. Bis die eine spurlos verschwindet und die andere zurückblickt, um hinter das Geheimnis dieses Verschwindens zu kommen.